ES WOAR EMOOL EN MADDEKUCHE. Der lag frisch gebacken
auf dem Fußboden des Zimmers von unserem Niklasbabbe in der Beuerner
Friedensstraße, die heute Struthwaldstraße heißt. Ein Stück weiter rechts
duftete es nach Kwotschekuche. Aber ich reagierte nicht schnell genug.
Bevor mir der Wohlgeruch wirklich in die Nase stieg, stand ich mit beiden
nackten Füßen drin, in dem köstlichen Quark mit Rosinen.
Leise kam der Niklasbabbe herein und hob mich
vorsichtig aus dem Teig. Zuerst wusch er mir die Füße. Dann restaurierten
wir das gelbe Kunstwerk. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum keine
der Frauen später auf das Malheur zu sprechen kam. Der Opa hatte sich
vorsichtshalber ein Gegenargument ausgedacht: „Man legt keinen Kuchen auf
den Fußboden eines abgedunkelten Zimmers!“
Ich beeilte mich, das Stück auf meinen Teller zu
bugsieren, das ich zerstampft hatte. Irgendwie hatten alle in der
Kaffeerunde gute Laune. Ich las den Erwachsenen jeden Wunsch von den Augen
ab. Immer wieder warfen wir uns verstohlene Blicke zu, der Großvater und
ich.
Nach drei oder vier Tagen war schließlich auch der
letzte Rest verputzt. Insgesamt waren es vier Bleche voll gewesen. Ich bot
sofort an, die beiden runden zu Tante Sella zurückzubringen, der sie
gehörten. Unter jeden Arm schob ich eins und trabte los. Links die
Untergasse hinauf. – –
Ich kam erst wieder zu mir, als ich auf der Straße
lag, Gesicht, Hände und Knie blutig rot. Die Kuchenbleche rollten davon.
Vor mir galoppierte ein aufgeregtes Füllen, hinter ihm tobte Diederichs
Heinrich, unser Tierarzt. Heinrich schrie aus Leibeskräften. Er knallte
mit der Peitsche und versuchte, das Tier wieder einzufangen. |
Mühsam rappelte ich mich auf. Ich lief in die
Friedensstraße zurück und bemühte mich, mit dem Heulen aufzuhören. Mein
Vater mochte gar nicht, wenn ich weinte.
Meine Mutter Ottilie und ihre Schwester Elfriede
sammelten die Bleche wieder auf und reinigten meine Schürfwunden. Dann
machten wir uns auf den Weg zu Heinrich, mein Vater und ich. Heinrich
hatte das Fohlen auf den Hof getrieben und peitschte immer noch drauf los.
Mein Vater fiel ihm in den Arm und beruhigte ihn. Endlich brachten sie den
verzweifelten Vierbeiner in den Stall. Später hieß es, der Tierarzt habe
damals deshalb die Fassung verloren, weil der erste Mann seiner Schwester
Lina ebenfalls von einem Pferd zusammengetreten und schwer verletzt worden
war.
Die beiden Männer Heinrich und Philipp verstanden
sich gut. Sie hatten gemeinsam für Beuern Handball gespielt. Aber mein
Vater verlor im Krieg ein Bein und feuerte Heinrich nun von der
Seitenlinie aus an.
Heinrich ist nicht alt geworden. Als er am 8.
Dezember 1979 starb, zählte er erst 58 Lenze. Mein Vater hatte schon ein
Jahr zuvor unsere schöne Erde verlassen. Zum Begräbnis von Heinrich
Dietrich fuhren meine Mutter und ich nach Reiskirchen. Das Schicksal hatte
ihn dorthin verschlagen. Was der Pfarrer da predigte, hat mich nicht
getröstet. Ein Held war von uns gegangen.
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